Renate Buser, Treppenhaus Bauhaus Dessau, für "original bauhaus", 2019, Installation, zweiteilig

Renate Buser, Treppenhaus Bauhaus Dessau, für "original bauhaus", 2019, Installation, zweiteilig

Die Spannung zwischen realem und fotografiertem Raum

Die Schweizer Künstlerin Renate Buser hat für original bauhaus das berühmte Treppenhaus im Bauhaus Dessau im Treppenraum der Berlinischen Galerie inszeniert. Wir sprachen mit ihr über das Sehen durch Fotografie und Perspektivwechsel.

Am 12. Dezember können Postkarten mit Renate Busers Installation aus der Ausstellung heraus verschickt werden - wir übernehmen das Porto!


Liebe Frau Buser, mit ihren fotografischen Installationen bewegen Sie sich im Spannungsfeld zwischen Architektur und Fotografie. Beide Disziplinen haben am Bauhaus eine wichtige Rolle gespielt. Welche Rolle spielt das Bauhaus für Ihre künstlerische Praxis?

Durch den Besuch des einjährigen Vorkurses an der Schule für Gestaltung in Basel wurde ich vom Bauhaus schon am Anfang meiner künstlerischen Ausbildung früh geprägt. Später hat mich meine Faszination für modernistische Architektur auch nach Dessau geführt. Das Ateliergebäude von Gropius begeistert mich, weil es zeitlos ist.

Der Bauhaustreppe und ihren zahlreichen künstlerischen Darstellungen widmet original bauhaus ein ganzes Kapitel. Es ist nicht leicht, sie noch einmal „neu“ zu sehen. Wie haben Sie sich dem Motiv genähert?

Durch das Fotografieren lerne ich einen Raum kennen mit all seinen spezifischen Qualitäten. Im Treppenhaus des Bauhauses ist dies für mich das Licht, das durch die monumentale Glasfassade fällt, und die sehr präzise eingesetzte Farbgebung. Sich einem Motiv nähern heißt: zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten den Ort fotografieren, mit einer Digitalkamera Lichtverhältnisse und Raum studieren. Zurück im Atelier analysiere ich mein Bildmaterial, mache Fotomontagen und entwickle damit ein Konzept. Wenn Perspektiven und Kontraste geklärt sind, dann kehre ich mit der Großbildkamera zurück zum Ort für die hochauflösenden Aufnahmen. Bei der farbigen Aufnahme habe ich zum Beispiel die Licht- und Schattenflächen etwas verstärkt, um das Bild „künstlicher“ zu machen, ganz im Geiste des Bauhauses.

Ihre Fotografien wirken gleichzeitig dokumentarisch und surreal. Wie gehen Sie beim Arbeiten vor?

Meine fotografischen Installationen sind ortsspezifisch, das heißt, ich versuche etwas von einem Ort mit fotografischen Mitteln physisch erlebbar zu machen, den Blick zu schärfen auf etwas, was man zwar sieht, aber nicht wahrnimmt. Gerhard Richters Zitat „Meine Bilder sind klüger als ich“ begleitet mich schon lange auf meinem künstlerischen Weg.

Ihre Installation ist auch ein Spiel mit Perspektiven. Sie scheint ganz klar und verwirrt dennoch unsere Sinne. Dürfen wir unseren Augen trauen?

Mir geht es um die Fiktion, um die Spannung zwischen realem und fotografiertem Raum. Ich arbeite gerne mit verschiedenen Maßstäben. Durch Vergrößerung, Verschiebung oder Umkehrung kann ich einem Element im Kontext der realen Architektur eine Bedeutung verleihen, die es im Realraum gar nicht haben kann.

Ihre Arbeiten sind fast immer temporär. Was bleibt, sind die Erinnerungen der Betrachter und wiederum Fotografien.

Die Frage von unterschiedlichen Zeitlichkeiten meiner Installationen beschäftigt mich sehr. Bei den temporären Großinstallationen auf Plachen kann ich mit Bild und Raum radikaler arbeiten. Bei Werken für die Galerie oder für permanente „Kunst und Bau“-Installationen bin ich anders gefordert. Dort arbeite ich mit Materialien, die gemeinsam mit den Gebäuden altern können.
Da ich mich jeweils über eine Zeitspanne von mehreren Monaten intensiv mit einer Installation befasse, sind für mich am Schluss gedruckte Publikationen sehr wichtig. Sie ermöglichen meinen Werken einen zweiten Lebens- und Reflektionsraum.

Woran arbeiten Sie gerade?

Zurzeit arbeite ich an verschiedenen Projekten, unter anderem an der Weiterverarbeitung meiner fotografischen Recherche über Stufenbrunnen, die ich im Frühjahr in Rajasthan und Gujarat während zwei Monaten gemacht habe. Für die Galerie Gisèle Linder produziere ich zurzeit neue Werke für die Kunstmesse artgenève Ende Januar 2020. Außerdem arbeite ich an einer Idee für ein Kunst- und Bau-Projekt eines neuen Tramdepots in Zürich.

original bauhaus, Abbildung: Sitzende mit Bühnenmaske von Oskar Schlemmer im Stahlrohrsessel von Marcel Breuer, um 1926. Foto: Erich Consemüller, Bauhaus-Archiv Berlin / © Dr. Stephan Consemüller

original bauhaus, Abbildung: Sitzende mit Bühnenmaske von Oskar Schlemmer im Stahlrohrsessel von Marcel Breuer, um 1926. Foto: Erich Consemüller, Bauhaus-Archiv Berlin / © Dr. Stephan Consemüller

original bauhaus

Die Jubiläumsausstellung

06.09.2019-27.01.2020