László Moholy-Nagy brachte das „Neue Sehen“ in das Bauhaus in Dessau ein. Seine Fotografien, beispielsweise des Dessauer Bauhaus-Gebäudes, sind keine mechanischen Reproduktionen der Realität. Vielmehr nähern sie sich dieser mithilfe unkonventioneller, ja geradezu waghalsiger Perspektiven aktiv an – und definieren damit ein neues Verhältnis des Menschen zur Architektur. Das so formulierte fortschrittliche Lebensgefühl wurde von den fotografierenden Bauhäuslern schnell aufgegriffen. Ihre Aufnahmen spiegeln Leben, Utopie und Aufbruchsgeist einer neuen Zeit. Moholy-Nagy inspirierte die Bauhäusler nicht zuletzt durch seine Fotogramme, Collagen und Mehrfachbelichtungen zu einer neuen Wahrnehmung, die die Grundlage dafür bildete, die Möglichkeiten des Mediums experimentell auszuloten und für sich zu nutzen.
Zuvor hatte die Fotografie nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Der Bauhaus-Gründer Walter Gropius setzte sie vor allem zur Dokumentation und Verbreitung der am Bauhaus entwickelten Objekte und Architektur ein. Offizielle Dokumentaristin wurde Lucia Moholy, die bei aller Sachlichkeit einen ganz eigenen Darstellungsstil entwickelte. Eine eigene Fotografieklasse entstand erst 1929, als Sonderabteilung der Werkstatt für Typografie und Reklame. Die Leitung übernahm Walter Peterhans. Er lehrte die Studierenden nicht nur fotografische Theorie und Praxis, sondern zugleich präzises Sehen. Formen und Texturen der arrangierten Objekte wurden nun durch akribische Ausleuchtung in ihren letzten Nuancen erfasst und zu fast magischer Wirkung gebracht. Diese Betonung der technischen Perfektion war nicht zuletzt der Entwicklung neuer Berufsbilder im kommerziell-angewandten Bereich geschuldet. Sie beendete die experimentelle Phase der Fotografie am Bauhaus zugunsten der institutionalisierten Lehre.