Porträt Antje Möller-Holzhauser, Restauratorin am Bauhaus-Archiv, in ihrer Werkstatt

Antje Möller-Holzhauser

Restauratorin

Liebe Antje, als Restauratorin kümmerst du dich um das Wohlergehen der Objekte. Wie macht man das bei der weltgrößten Bauhaus-Sammlung?

Wenn man es ganz genau nimmt, bin ich Papier-Restauratorin. Das ist die Spezialisierung, die am Bauhaus-Archiv am meisten gebraucht wird. Die Menge an Objekten in unserer Sammlung, die man im weitesten Sinne als „Kunst auf Papier“ bezeichnen könnte, ist einfach am größten. Restauratorisch bin ich also „nur“ für die papiergestützte Sammlung zuständig, konservatorisch aber auch für alle anderen Sammlungsbereiche. Was das praktische Restaurieren angeht, muss ich deshalb leider viel delegieren.

Du bist nun schon 26 Jahre hier am Bauhaus-Archiv. Durch deine Hände sind unzählige Objekte gegangen …

Das stimmt. Und gerade durch unseren Umzug ins Interimsquartier für unseren Neubau habe ich noch mal mehr gesehen. Wahrscheinlich hatte ich jetzt 70 Prozent der Sammlung in der Hand. Wir haben ja jedes Objekt einzeln aus den Regalen und Schubladen geholt, verzeichnet und eingepackt. Trotzdem bin ich auch immer wieder überrascht von Objekten, die ich noch nicht kenne.

Welche Arbeit war ein restauratorisches Highlight für dich?

Da fällt mir die schon etwas länger zurückliegende Arbeit an einer Lithografie von Moholy-Nagy aus der Meistermappe ein. Das Blatt hatte einen starken Lichtrand von dem Passepartout, in dem die Grafik lange Zeit aufbewahrt worden war. Die Säure des holzhaltigen Kartons war ins Papier gewandert und hatte es verbräunt. Am Schrägschnitt hatte sich ein besonders dunkler Rand gebildet, der die grafische Arbeit überdeckte und sehr störend war. Ich habe mich dann für zwei verschiedene Bleichverfahren entschieden, eines davon war die Lichtbleiche. Dazu wird das Objekt in Wasser gelegt und mithilfe von Licht aufgehellt. Die Bereiche, die nicht gebleicht werden sollen, deckt man ab. Vorher testet man natürlich Papier und Farbauftrag, um abzuschätzen, ob so eine Maßnahme für die Arbeit überhaupt geeignet ist. Bei diesem Verfahren sieht man erst, wenn das Blatt trocken ist, den endgültigen Farbton. Da ist immer ein Nervenkitzel dabei, nicht nur deshalb muss man als RestauratorIn genau überlegen, ob und wann man solche Verfahren anwendet.

Auch bei der Restaurierung heißt es heute „Weniger ist mehr“, oder?

Ja, man hat früher sehr viel mehr an Objekten restauriert, als man das heute macht. Inzwischen dürfen die Spuren der Zeit sichtbar bleiben, die Konservierung steht sehr viel mehr im Vordergrund, jedenfalls im musealen Kontext. Aktuell machen wir uns zum Beispiel bei einer Kücheneinrichtung von Marcel Breuer sehr viele Gedanken darüber, wie umfangreich die Restaurierungsmaßnahmen sein sollen. Seit der Herstellung der Küchenmöbel haben diese glücklicherweise nur wenige zusätzliche Anstriche erhalten, da die Möbel im Besitz der Auftraggeberin geblieben waren. Das heißt, wir können die ursprüngliche Farbigkeit relativ gut nachvollziehen. Es sind auch nur wenige originale Teile verloren gegangen. Unsere Tendenz ist, viele der Gebrauchsspuren zu belassen, auch solche, die z.B. durch gestalterische Mängel entstanden sind. All das erzählt ja etwas über die Geschichte des Objekts. Wie zum Beispiel auch die zahlreichen Spuren des Fleischwolfs, den die Auftraggeberin und Vorbesitzerin der Küche an der Platte des Küchentisches festgeschraubt hatte.

Vor unserem Gespräch war gerade der Scherenschleifer da, der die Messer der Pappschere in der Restaurierungswerkstatt erneuert hat. Das klingt so schön analog. Als Restauratorin hast du aber auch mit der digitalen „Konservierung“ zu tun.

Wir überlegen gerade, was alles notwendig ist, um die grafische Sammlung zu digitalisieren. Dafür nehmen wir jedes Blatt aus der Schublade und erfassen den Zustand. Muss ein Werk beispielsweise zweiseitig gescannt werden, weil sich auf der Rückseite eine weitere Zeichnung oder wichtige Beschriftung befindet? Ist das Blatt beschädigt, sind restauratorische Maßnahmen erforderlich? Braucht es ein neues Passepartout oder wie wollen wir es in Zukunft aufbewahren? All dies tragen wir in einer umfangreichen Excel-Tabelle zusammen. Auch fehlende Daten ergänzen wir in diesem Prozess in unserer Museumsdatenbank.

Ein Frühjahrsputz für die Sammlung … Wie läuft das in Corona-Zeiten?

Ordnung zu machen, Dinge systematisch zu bearbeiten ist schön! Momentan arbeite ich dafür meistens allein im Depot und begutachte die Objekte. Mein Kollege Stephan Böhmer sitzt im Büro am Rechner und ich übermittle ihm die Informationen für die Excel-Tabelle per Zoom. Zur Abwechslung bei all den Daten lese ich dabei manchmal auch etwas Kurioses vor, das mir z.B. bei den Objekten aus der Gebrauchsgrafik begegnet. Gerade bearbeiten wir Werke von Herbert Bayer und dort gibt es neben tollen Entwürfen manchmal auch sehr amüsante Texte in den Werbeprospekten.

Deine Arbeit ist sehr vielfältig. Welcher Aspekt gefällt dir am besten?

Ganz besonders mag ich die Zusammenarbeit mit den vielen unterschiedlichen Menschen, die zusammenkommen, um eine Ausstellung zu machen. Mit den beteiligten KollegInnen im Haus, aber auch mit den GestalterInnen und AusstellungsbauerInnen gemeinsam Ideen entwickeln und umsetzen, das macht großen Spaß. Zum Beispiel, wenn man ein Objekt nicht so präsentieren kann wie geplant und kurzfristig andere Lösungen finden muss. Am Ende soll man von der ganzen Mühe natürlich am besten nichts mehr sehen, so dass sich die BesucherInnen an einer gut gestalteten Ausstellung erfreuen können. Deshalb freue ich mich ganz besonders auf die Fertigstellung unseres Neubaus und die erste Eröffnungsausstellung.