Otti Berger am Arbeitstisch. Foto: unbekannt, um 1931, Bauhaus-Archiv Berlin

Neubewertung der Textilgestalterin Otti Berger

Weaving for Modernist Architecture / Stoffe im Raum

Seit August 2020 arbeitet die Künstlerin und Kunstwissenschaftlerin Judith Raum mit dem Bauhaus-Archiv Berlin an der Aufarbeitung des Werks von Otti Berger. Infolge mehrerer künstlerischer Forschungsprojekte zur Textilwerkstatt am Bauhaus ist Judith Raum eine Spezialistin für Otti Bergers Werk. Im aktuellen Forschungsprojekt legt sie den Schwerpunkt auf die Vermittlung von Bergers textilem Werk aus handwerklicher und unternehmerischer Perspektive. In detektivischer Recherche bestimmt Judith Raum im Austausch mit zahlreichen internationalen Expert*innen die Funktionen der Stoffe, kontextualisiert ihre Entwürfe kritisch und erweckt Bergers Textilien schließlich durch das Medium Fotografie zu neuem Leben.

Otti Berger schuf als weibliche Einzel-Unternehmerin im aufregenden Berlin der frühen 1930er-Jahre Stoffe, die das Verständnis von dem, was Textilien sein und leisten können, grundlegend veränderten. Für ihre Vorhänge, Teppiche oder Bodenbeläge sowie Entwürfe für Möbelbezüge arbeitete sie eng mit Architekt*innen des Neuen Bauens wie Ludwig Hilberseimer und Hans Scharoun zusammen. Sie entwarf für neuartige Gebrauchsansprüche und buchstabierte damit das Zusammenspiel von Ästhetik und Funktion neu aus – mit faszinierenden Ergebnissen, die bis heute ästhetisch und funktional überzeugen. Eine Publikation Weaving for Modernist Architecture wird 2024 im Hatje Cantz Verlag erscheinen und den weltweit verstreuten Nachlass (unter anderem aus der Sammlung des Bauhaus-Archivs) der Textilgestalterin Otti Berger umfassend zugänglich machen. Erstmals werden mit der Publikation die Komplexität und Schönheit ihrer Stoffe dargestellt. Die immense Bedeutung des Textilen für das Neue Wohnen der 1920er- und 1930er-Jahre tritt so in aller Deutlichkeit zu Tage. Dieser Zusammenhang wurde von der Architektur- und Designgeschichte bis heute kaum gewürdigt. Auch Bergers beeindruckende Schriften zum Textilen werden erstmals versammelt.

Otti Berger (1898-1944) war eine der bedeutendsten Textilgestalterinnen des 20. Jahrhunderts. Geboren in Zmajevac, das zum damals ungarischen Königreich Kroatien gehörte, als Ottilija Ester Berger, lernte sie von 1921 bis 1926 an der Kunstgewerbeschule in Zagreb und seit 1927 am Bauhaus in Dessau. Nach ihrer Ausbildung am Bauhaus und Lehrtätigkeit dort machte sie sich 1932 in Berlin selbständig und entwarf europaweit Stoffkollektionen für den modernen Innenraum. 1936 wurde sie als Jüdin mit Berufsverbot belegt, Fluchtversuche nach England und in die USA scheiterten. Sie wurde 1944 aus Kroatien nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Otti Berger. Stoffe für die Architektur der Moderne
Eine Installation von Judith Raum im temporary bauhaus-archiv
15.03.-24.08.2024